Kulturerlebnis zu Allerheiligen

Allerheiligen am ersten November ist auch in den stark katholisch geprägten Philippinen ein Feiertag. Traditionell werden an diesem Tag die Gräber von Freunden und Verwandten besucht. Auch die Mädchen aus der Einrichtung sind gemeinsam mit der Hausmutter und deren Kindern auf den Friedhof im Ort Pandi gefahren. Also sind wir in zwei Fuhren mitsamt einem großen Topf voll gekochtem Reis mit dem Tricycle dorthin aufgebrochen.

Der Friedhof an sich ist ganz anders strukturiert als ein deutscher Friedhof. Zunächst gibt es einen (kleineren) öffentlichen Teil in welchem die Toten in Urnengräbern bestattet sind. Diese liegen überirdisch und man kann sie sich wie „Betonregale“ mit quadratischen Fächern vorstellen. Auch im privaten Teil des Friedhofs sind die Gräber überirdisch und aus Beton gebaut. Die meisten Gräber sind in ordentlichen Reihen angeordnet und sehen aus wie sargförmige Betonwürfel. An der Vorderseite ist jeweils der Grabstein befestigt (sofern es einen gibt). Außerdem steht eine Pavillonüberdachung über je zwei Gräbern als Sonnenschutz.

Zunächst war ich etwas erschlagen von dem Beton, ist man aus Deutschland doch viel Grün und Bepflanzung auf dem Friedhof gewohnt. An Allerheiligen jedoch herrschte solch ein buntes, reges Treiben auf dem gesamten Friedhof, dass es trotzdem nicht trist wirkte. Schon auf der Zufahrt standen kleine Essensstände dicht an dicht und an den Gräbern haben sich überall ganze Familien eingefunden, die gemeinsam dort den gesamten Tag verbracht haben. Aus Platzmangel sowie dem langen Aufenthalt auf dem Friedhof saßen überall Menschen auf den Gräbern und es wurde auch gegessen. Aber auch Blumengestecke wurden auf vielen Gräbern niedergelegt sowie Kerzen davor angezündet.

Wo man auch hinblickte sah man Menschen bei strahlendem Sonnenschein, die gemeinsam an die Verstorbenen gedacht und erinnert haben.

Es war eine sehr schöne Erfahrung für mich diesen besonderen Tag miterleben zu dürfen. Zu unserem großen Topf Reis hatte jemand anderes die Beilage mitgebracht und gegen Mittag wurden die Teller ausgepackt und das Essen verteilt. Anschließend haben wir gemeinsam um das Grab herum gegessen. Erst war ich ganz verdattert durch die Teller und Töpfe überall auf dem Friedhof. Während der Mahlzeit fand ich die Geste dann aber sehr schön. Die Menschen gehen die Verstorbenen nicht nur besuchen, erinnern sich an sie und kehren dann wieder ins „Leben“ zurück. Durch so etwas lebendiges und alltägliches wie ein gemeinsames Essen an der Ruhestätte werden die Verstorbenen für eine kurze Zeit ins „Leben“ der Angehörigen miteingebunden. Als wir gegen sechs wieder nach Hause kamen war ich von den vielen Eindrücken ganz erschöpft aber auch positiv erfüllt.

 

Uno spielen steht bei allen Hoch im Kurs

 

Ein anderes Thema, welches ich in meinem letzten Bericht angekündigt habe ist die Sprache. Landessprache der Philippinen ist Filipino. Im gesamten Inselstaat gibt es allerdings insgesamt über 80 verschiedene Sprachen, die jedoch alle zu ein und derselben Sprachengruppe gehören.

Die offizielle Sprache Filipino basiert hauptsächlich auf der Sprache Tagalog, welches schwerpunktmäßig in Manila und Zentral-Luzon gesprochen wird; also der Gegend in der auch Pandi sowie die Rene Conception Pedrozo Foundation liegen. Englisch ist wichtigste Zweitsprache des Landes und wird in der Schule gelernt.

Die Alltagskommunikation der Mädchen in der Einrichtung sowie aller Menschen hier in meinem Umfeld läuft auf Tagalog. Die älteren Mädchen können aber alle auch (zumindest grundlegend) Englisch verstehen und sprechen. Am Anfang waren sie sehr schüchtern Englisch zu sprechen aber mit der Zeit haben sie ihre Scham verloren. Mittlerweile sprechen sie auch Englisch mit mir wenn sie sich nicht hundert prozentig sicher sind ob es ganz richtig ist was sie sagen. Sehr gut Englisch spricht die Sekretärin ( und auch die Sozialarbeiterin) wodurch sie von Anfang an mein Hauptgesprächspartner hier war. War es auch zu Beginn erschwert, weil die Mädels nicht sehr gut Englisch konnten (zumindest die Meisten von ihnen) und ich keine Kenntnisse in Tagalog hatte, so haben wir schnell Wege und Möglichkeiten gefunden trotzdem gut miteinander zu kommunizieren.

Die Sprache Tagalog hat genau wie die Geschichte der Philippinen verschiedenste Einflüsse. Mir zu Gute kommend sind die spanischen Einflüsse, weil ich Spanisch sprechen kann. Vor allem im Alltag gibt es einige Vokabeln, die aus dem Spanischen stammen, zum Beispiel Teller (plato) oder Gabel (tinidor [Filipino] – tenedor [Spanisch]). Darüber hinaus ist Tagalog/Filipino jedoch eine ganz eigene Sprache deren Grammatik sich nur schwer mit Deutsch vergleichen lässt.

Zunächst hätte ich nicht gedacht, dass ich überhaupt zum sprechen kommen werde. Trotzdem habe ich mir von Anfang an Mühe gegeben, Vokabeln zu lernen und vor allem immer aufmerksam zuzuhören (auch wenn ich nichts verstanden habe). Mit der Zeit habe ich dann doch einiges gelernt (auch mit Hilfe eines kleinen Sprachführers), sodass ich heute ziemlich viel verstehen und sogar einiges selbst formulieren kann.

Wenn die Mädchen sich im Alltagsgeschehen verständigen verstehe ich eigentlich immer zumindest den Kontext, sodass ich (mindestens) weiß worum es geht. So wenig sich das anhört, so viel macht es in der Praxis doch aus.

Denn sobald ich grob weiß worum sich ein Gespräch gerade dreht kann ich gezielte Fragen zu Dingen stellen, die ich nicht verstanden habe. Das ist zum Beispiel etwas was ich auf Tagalog formulieren kann und die Antwort weitaus realisierbarer, als nach einer kompletten Übersetzung des Gespräches zu fragen.

Zum Fernsehschauen oder Radiohören reichen meine Tagalogkenntnisse zwar nicht ganz, aber für meinen Alltag sind sie eine große Hilfe. Zum Beispiel kann ich auch sagen was es zu essen gibt, wann ich geduscht habe oder jemand anderes duschen schicken (Uno spiele ich mt den Jüngeren am Wochenende erst, wenn sie sich geduscht haben… ;D ). Des Weiteren ist es besonders im Kontakt mit Menschen, die mich nicht aus der Rene Pedrozo Foundation kennen sehr schön, ein paar grundlegende Redewendungen in der Landessprache zu kennen. Die Begeisterung ist immer groß wenn ich versuche, ein bisschen Tagalog zu sprechen.