Alltag voller Geduld

Schon in meinen ersten Tagen habe ich gelernt, dass „Pacienca“, was so viel wie Geduld bedeutet, eine zentrale Rolle in der Kultur und im Alltag spielt. Erst hier ist mir wirklich bewusst geworden wie zeitfixiert und gestresst die deutsche Mentalität doch ist, weil warten als höchst vermeidenswert gilt. Außerdem ist es im sozialen Miteinander so, dass man sich beeilt wenn andere auf einen Einzelnen warten und die Wartenden in Unmut verfallen, weil sie eben warten müssen.

In der philippinischen Kultur ist es genau umgekehrt. Die genaue Uhrzeit spielt nur in seltenen Fällen eine wichtige Rolle, in der Regel reicht eine ungefähre Orientierung. Alleine das bringt schon eine enorme Entschleunigung in den Alltag. Des Weiteren ist Eile oder Hektik ein Fremdwort hier, weil es einfach nicht schlimm ist zu warten und so niemand in Hektik verfallen muss. Selbst wenn alle auf einen Einzelnen warten verfällt keiner in miese Stimmung, sondern man wartet ganz geduldig bis auch der Letzte bereit ist.

Ein Jeepney, das klassische Fortbewegungsmittel, fährt am Startpunkt zum Beispiel erst los wenn der allerletzte Platz besetzt ist. Für diejenigen, die als erstes eingestiegen sind, kann das schon Mal sehr warm und stickig werden, so ganz ohne Fahrtwind im Innern des Busses zu sitzen. Die Laune sinkt dabei aber nicht. Oder aber man ist in einer Gruppe verabredet oder eingeladen. Während der Großteil zum verabredeten Zeitpunkt schon gewienert und gestriegelt losgehbereit ist, schlafen andere noch. Es ist aber selbstverständlich, dass auch diese sich erst noch in Ruhe duschen und fertig machen können bevor man gemeinsam fröhlich loszieht. Es würde auch niemand auf die Idee kommen diese zum Beispiel schon früher zu wecken.

Auch wenn es vor allem am Anfang natürlich eine große Umstellung und auch Herausforderung war, sich an „Paciencia“ zu gewöhnen, empfinde ich es als sehr gesund.

Mittlerweile fällt es mir sogar nicht mehr schwer vor dem warmen (oder eben kalt werdenden), fertig ausgeteilten Essen zu sitzen und noch zu warten bis alle nach und nach gemächlich zum essen eintrudeln. Im Endeffekt hängt es nämlich wirklich nur mit der sozialen Bewertung von Zeit und Warten zusammen. Und eine positive Bewertung von Warten führt auf jeden Fall zu glücklicheren und entspannteren Individuen. Ich hoffe ich kann auch in Zukunft etwas von diesem schönen Aspekt der Geduld beibehalten und bin sehr dankbar, hier in eine ganz andere Art von Geduld eingeführt zu werden.

Man kann also den Alltag in der Einrichtung nicht beschreiben ohne Paciencia zu erwähnen. Grundsätzlich ist der Alltag der Mädchen strukturiert von der Schule und ihren Aufgaben im Haushalt. Es gibt einen genauen Plan, wer wann welche Aufgaben übernehmen muss und es wird hier groß geschrieben, dass die Mädchen von klein auf Haushaltsführung lernen. So sind sie dann später in der Lage für ihren eigenen Haushalt zu sorgen. Außerdem kann der Tagesablauf mit so vielen nur reibungslos funktionieren, wenn jeder seinen Teil beiträgt.

Die Schulzeiten sind sehr verschieden. Vier der Mädchen gehen in die Grundschule, dass heißt Klasse eins bis sechs. Sie fahren gegen halb sieben/sieben Uhr morgens los und kommen gegen vier Uhr nachmittags zurück. Der Rest der Mädchen geht in die lokale Junior High School, dass heißt Klasse sieben bis zehn. Weil es aber so viele Schüler gibt, hat man die Schüler in zwei Schichten unterteilt. Drei der sechs Mädchen gehen morgens zur ersten Schicht. Sie werden gegen sechs Uhr zum Unterricht gefahren, der Mittags um viertel nach zwölf endet. Die anderen drei Mädchen gehören der Nachmittagsschicht an, welche um halb eins beginnt. Sie kommen gegen halb sieben wieder nach Hause.

Für mich ist es unglaublich, dass es in der achten Klasse der Schule zum Beispiel ganze 34 Klassen gibt! Weil das Alphabet aber nur 26 Buchtaben hat, wird nach Z mit AA, AB bis AH weitergezählt. Bis ich das ganze System erst einmal verstanden hatte waren einige Wochen vergangen.

Ein ganz gewöhnlicher Tag beginnt hier zwischen fünf und halb sechs mit dem ersten Tageslicht. Bis sieben Uhr haben dann alle, die morgens Unterricht haben, gefrühstückt und geduscht, haben ihre Schuluniformen gebügelt und sind mit dem Tricycle zur Schule gefahren worden. Ein Tricycle ist ganz typisch hier, es ist ein Moped mit Beiwagen. Anschließend frühstücken alle verbliebenen Mädchen gemütlich mit Mamita und mir. Nach jedem Essen gibt es immer einen Spüldienst sowie einen Küchendienst, der aufräumt und die Küche durchwischt. Der Vormittag wird dann recht entspannt mit Hausaufgaben, quatschen, kochen und spielen verbracht. Einmal die Woche fahren wir nach dem Frühstück auf den Markt, um Lebensmittel für die Woche einzukaufen. Gegen zwölf haben sich dann auch die drei Mädchen, die Nachmittags Unterricht haben, fertig gemacht und werden zur Schule gefahren. Mit dem gleichen Schwung kommen die drei Vormittagsmädels wieder Heim und es wird zu Mittag gegessen. Dem schließt sich dann eine ausgiebige Mittagsruhe an, in der es ungewöhnlich still im Haus ist. Bis die jüngeren gegen vier von der Grundschule zurück kommen und der Trubel wieder einkehrt werden Hausaufgaben gemacht und es wird gequatscht – vorzugsweise im Büro von Dian. Den späteren Nachmittag verbringen alle gemeinsam beim Volleyball spielen auf dem Sportplatz oder beim spielen auf dem Gelände. Besonders beliebt ist auch Hüpfekästchen, tanzen und allerlei Klatschspiele. Sobald die letzten von der Schule zurück kommen wird zu abend gegessen und danach kehrt ganz langsam Abendruhe ein, bevor alle zwischen acht und neun Uhr schlafen gehen.

Seit meinem ersten Bericht haben sich ein paar technische Hindernisse aufgetan wodurch es mir nicht mehr möglich ist, Einträge selber hochzuladen. Das bedeutet, dass die angekündigten Beiträge, die gemeinsam mit den Mädchen erstellt werden sollten, leider nicht realisierbar sind. Aber es wird noch ein wenig von mir zu hören geben und ich freue mich darauf, noch ein wenig mehr zu berichten!